Don't be so ill-bred!

Wer mich kennt, der weiß, dass ich gerne verreise, und dass ich besonders gerne in Großbritannien reise. Spanien, Italien, Kroatien, all diese wunderbaren Urlaubsziele lasse ich links liegen für mein geliebtes Great Britain. Sonne und Strand tausche ich mit Freuden gegen wunderbar wilde Landschaft, englischen Sommerregen und diese besondere Stimmung in London. Gut, ich geb's ja zu, ich geh in London auch gerne feiern, bunte Lichter angucken, das Mayor's Thamse Festival besuchen und einfach nur in der Stadt umherstreifen. Die englische Lebensart liegt mir, beinahe mehr als die deutsche: Ich bin gerne unverbindlich höflich, trinke gerne ein Cider nach Feierabend, liebe 100% pure beef auf meinem Teller und schwarzen Tee mit Milch in der Tasse, ich liebe es, Lamm mit Minze oder cottage pie zu essen und zu kochen, Bingo zu spielen, tube zu fahren, und all diese kleinen Dinge zu tun, die dieses Land für mich so attraktiv machen. Gut, wenn man mir sagt: "Du siehst irgendwie britisch aus." frage ich mich zuerst, ob ich heute schlecht angezogen bin, aber darum geht es jetzt grade nicht. Diese Geschichte erzähle ich vielleicht ein anderes Mal.
Ein Grund, warum ich den Aufenthalt in England immer wieder aufs Neue genießen kann, ist die eben schon erwähnte unverbindliche Höflichkeit. Als Deutsche, frisch aus Meckerland eingetroffen, geht sie einem runter wie Öl, streichelt meine, von bis zu den Knien heruntergezogenen, verkniffenen Mundwinkeln umgebene, eher optimistische Seele. Ja, ich will höflich behandelt werden, auch wenn es nur oberflächlich und mechanisch ist und nicht von Herzen kommt. Das ist besser als nichts, wirklich. Nein, mich stört es nicht, mit einem freundlichen "How are you doing?" begrüßt zu werden, auch wenn ich genau weiß, dass mein Gegenüber sich nicht im Mindesten für meine physische und psychische Verfassung interessiert. Warum sollte er auch? Höflichkeit jedoch garantiert uns ein respektvolles Miteinander, auch wenn man den anderen nicht ausstehen kann. Und genau dieser respektvolle Umgang miteinander, der als, wenn auch nichtssagende, Formel erlernt wird, macht den Aufenthalt in England für mich immer zu einer sehr entspannenden Sache.
Das Schwierigste an diesen Reisen ist allerdings mit Abstand das nach Hause kommen. Man steigt aus dem Flieger, in die nächste Bahn nach Hause und erlebt des Deutschen Alltag: Schimpfen ("Nimm sofort Deinen verdammten Koffer von meinem Fuß, Du Penner! Ich hab 2 Stunden Flug hinter mir, bin müde und du gehst mir auf die Nerven!" O-Ton einer etwa 40jährigen Frau in der Bahn) und meckern. Ähnliche Situation in London in der U-Bahn: Man entschuldigt sich, der andere bedankt sich für die Entschuldigung, man lächelt sich kurz an und kommt eventuell ins Gespräch. An der nächsten Station steigt man aus, weil man aussteigen muss, und wünscht dem anderen noch einen schönen Tag. Das ist auch das Mindeste, denn schließlich war man gerade auf engstem Raum zusammengepfercht, hat den Fuß des anderen in übelster Weise zertreten, weil man sich nicht festgehalten hat, als die tube anfuhr, wurde mit dem Gesicht in die Achselhöhle des anderen gedrückt, was nun, wie jeder weiß, der regelmäßig U-Bahn oder Straßenbahn fährt, der intimste Bereich und die größte Schwachstelle des Bahnfahrenden ist. Trifft man jetzt durch einen Zufall eben diesen Menschen beim Ausgehen am Leicester Square in einem Club wieder, kann man sagen: "Hey! I met your toe and your armpit this morning. How are you doing now?" und muss sich nicht beschämt zur Seite ducken, weil man sich heute morgen daneben benommen hat.
Und so heißt es alle Jahre wieder, wenn ich aus England nach Deutschland zurückkehre: Welcome back to Germany. und: Don't be so ill-bred! It gives much more pleasure to be polite!

Also manchmal,
ARGH! stuff
ARGH!ARGH!!
dorm stuff
everyday stuff
heartstrings
interpersonal stuff
london stuff
menfolk-stricken stuff
Musik: An!
musing stuff
poppycock stuff
pub stuff
stöckchen stuff
yeahbaby!yeah!
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren