Sauna – Walter Reloaded

Es ist Montag Morgen und ich sitze an meinem Arbeitsplatz.
Das Semester ist vorbei, ich erwarte einen unspektakulären Arbeitstag. Erfahrungsgemäß kommen heute nur Leute, die Klausuren schreiben und vergessen haben, in welchem Raum ihre Klausuren stattfinden. Tses! Als ich noch Klausuren schreiben musste, und die Zeiten sind gottlob vorbei, wusste ich schon mindestens zwei Tage vorher, in welchem Hörsaal ich eine Stunde vor Klausurbeginn in Ruhe vor mich hin paniken konnte. Ok, aber das ist ja nicht mein Problem, wenn die Studenten weder wissen, wie ihr Kurs heißt, noch wie ihr Dozent heißt, oder gar in welchem Raum die Vorlesung stattgefunden hat. Ich versuche eben rauszufinden, wo sie hinmüssen, auch wenn ich nur minimale Informationen wie „Jura, immer Mittwochs um 15.00 h“, oder „KL, beim Dingsbums“ habe. Dinge ich dieser Art erwarten mich heute, so denke ich jedenfalls. Sauna-Walter jedoch stand nicht auf meiner Liste der für heute zu erwartenden Dinge. Deswegen erwischt er mich um kurz nach 10 wieder eiskalt:
Ich sitze, über meine Arbeit gebeugt, an meinem Tisch und versuche, mich auf die äußerst langweilige und anstrengend zu lesende Synopse von Sorbengesetz und Friesischgesetz zu konzentrieren, als es vor mir ertönt: „Sie lächeln ja gar nicht so schön wie sonst, junge Frau!“ ARRRRGH!! Der alte Sack wieder! Sauna-Walter, verdammt!!
„Woran mag das wohl liegen?“ sagt Walter, und zwinkert mir vielsagend zu, „etwa daran, dass wir uns so lange nicht gesehen haben?“ Ich bin sprachlos, starre ihn an und mir fällt keine passende Antwort ein, die ich aussprechen könnte, ohne die elementarsten Grundsätze der Höflichkeit grob zu verletzen. „Da sind Sie sprachlos, was?“ strahlt er mich an. „In der Tat“, würge ich hervor, aber dass diese Tatsache ganz gut für ihn ist, darüber kläre ich ihn nicht auf. Am liebsten würde ich aufstehen und einfach verschwinden und nie, nie wieder hierher kommen, aber ich muss mich zusammenreißen. Ich muss mich zusammenreißen, denn wenn ich mich jetzt nicht effektiv zur Wehr setze, bin ich geliefert. Ich habe heute sechs Stunden Dienst, und genau solange wird Walter genau hier dümmlich grinsend vor meinem Tisch hin und her scharwenzeln wollen, wenn ich ihm nicht exakt jetzt eine Abreibung verpasse. Und glaubt mir, jetzt im Augenblick gibt es nicht viele Dinge, die ich weniger möchte, als dass Walter mich hier belagert, außer vielleicht, Walter würde zu diesem Zweck Verstärkung in Form eines Zwillingsbruders mitbringen.
Also sage ich: „Walter sagen Sie mal, was genau haben Sie beim letzten Mal nicht verstanden? Ich habe doch klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ich so nicht angesprochen werden möchte.“ Walter starrt mich an, sein Strahlen verwandelt sich in einen eher verkniffenen Gesichtsausdruck als er sagt: „Aber ich hab Ihnen doch auch gesagt, dass ich Sie so sympathisch finde. Das heißt, ich kann nichts dafür.“ Wie jetzt? Bin ich auch noch selber Schuld, dass der mich nicht in Ruhe lässt, oder was? Und mal ehrlich: Ich sehe nicht so umwerfend aus, dass mir einer so verfallen könnte, dass er nicht mehr weiß, was er tut. Nicht mal ansatzweise. Und selbst wenn es so wäre: Was zum Teufel soll denn der Scheiß jetzt?! Das ist doch bullshit, alte Säcke Belästigungslogikbullshitmist ist das.
Mir wird heiß, weil ich richtig sauer werde, und vermutlich bin ich schon wieder rot, weil ich immer rot werde, wenn ich richtig sauer werde, und diese eine Ader am Hals schwillt an, so dass ich mich fühle wie Rambo, wenn er den Bogen spannt, aber hoffentlich nur ein bisschen so aussehe. Obwohl, wenn ich jetzt auf einmal so aussehen würde, wie Rambo kurz bevor er seine Gegner niedermetzelt, dann haut Walter vielleicht von selber wieder ab.
Ich bin stocksauer, bemühe mich aber um ein Minimum an Höflichkeit, denn mein Verstand hat schließlich noch nicht ausgesetzt, und sage: „Na und? Wissen Sie noch, was ich Ihnen letztens gesagt habe? Ich sagte, das sei nicht mein Problem, und das ist es auch heute noch nicht. Ich möchte Sie ein für alle Mal bitten, mich hier in Ruhe zu lassen!“
Jetzt ist Walter sprachlos und ich bin kurz versucht, ihn zuckersüß anzulächeln und zu sagen: „DA!! Siehste mal wie das ist!“ Aber ich lasse es, denn ich will ja nur meine Ruhe und nicht noch mit ihm diskutieren müssen. Also starre ich ihn nur finster an, und versuche möglichst bedrohlich auszusehen, was mir normalerweise ja nicht so gut gelingt. Aber heute scheint es zu klappen, und die Kendoübungen im Gegnerniederstarren scheinen sich bezahlt zu machen, auch wenn ich aus der Übung bin. Schade, dass ich ihm nicht noch eine aufs Dach geben kann, dem alten Stelzbock. „Wenn das so ist,“ sagt Walter, „dann gehe ich jetzt wohl besser.“ Sprichts, dreht sich auf dem Absatz um und marschiert zur Türe hinaus.
Etwa 20 Minuten später sitze ich immer noch an meinem Tisch und versuche mich wieder abzuregen. Abregen geht leider nicht so schnell wie Aufregen, deswegen habe ich noch deutliche rote Flecken im Gesicht. Auf einmal steht ein anderer älterer Mann mit gelichteten Zahnreihen vor meinem Tisch.
„Ich grüße Sie,“ sagt er zu mir. „Guten Tag,“ sage ich, woraufhin er sagt: „Sind Sie pollenallergisch?“ Ich, statt wasgehtsiedasbittean: „Nein, warum?“ Er: „Ach, Sie sehen so allergisch verfärbt aus, da wollte ich Ihnen nur sagen, dass Bienenhonig bei Hautirritationen sehr gut wirkt.“
Argharghargahargahrgh!!!!
Haben die sich heute verabredet?? Was ist denn hier heute los?
toktoktok - 11. Feb, 18:52

Oh.mein.Gott!

Eins vorneweg: Ich dürfte da nicht arbeiten! Die hätten sich beide verdammt warm anziehen müssen...
Vielleicht solltest Du die Herrschaften allesamt mal darauf hinweisen, dass Du die Beratungstelle und nicht die zu beratende Stelle bist...

Und vielleicht solltest Du Dir das mit der Höflichkeit noch mal überlegen? ;-)

Scholli - 11. Feb, 19:11

Die sind schon frech, ja. Aber man darf das nicht persönlich nehmen, beide hätten jeder anderen Kollegin genauso zugesetzt, wirklich. Wir haben in der Tat jede unsere eigenen Stalker. Jede von uns hat Leute, die nur zu ihr kommen und so richtig nervtötend sind. Ich geb zu, Sauna-Walter und das Honigbärchen sind schon sehr speziell, und ich hab das außerordentlich dumme Empfinden, dass ich beide heute nicht zum letzten Mal gesehen habe. Warum nur?
Ich überlegs mir auch noch mal mit der Höflichkeit...nur zur Sicherheit.
drsno - 11. Feb, 20:00

Ehrlich? Du sollst dir Honig ins Gesicht schmieren?? Na ob das dann wirklich gegen dein "süsses Lächeln" hilft?

Scholli - 11. Feb, 20:14

Mein "süsses Lächeln" ist mir in dem Zusammenhang schon lange vergangen, das kannst Du mir glauben. Aber so süß ist es auch nie gewesen, dass ich es mit einer Portion Honig nicht noch verschönern könnte...
Aber es sollte doch wohl gegen die Walter-Allergie helfen, obwohl ich persönlich eine Therapie, die was mit nem Boxhandschuh oder nem Shinai zu tun hat, vorziehen würde.
Pat Bateman - 11. Feb, 23:25

tschuldigung...

... aber wenn ich nach einem langen bibliothekstag nach hause komme, ist sowas genau das richtige! vor allem der typ mit dem honig... ich stells mir in der situation sehr surreal vor ;o))

trotzdem kann ich mir einen leichten anflug von neid nicht verkneifen: ich will auch mal so ne personal stalkerin haben. für einen tag in der woche... eine saune-waltraud. was hätte ich meinen spaß. *g* (zumindest vorerst)

Scholli - 12. Feb, 08:22

Ich möchte nicht mal im Ansatz wissen, wie das weibliche Pendant zu Walter sein müsste, um ähnlich viel 'Freude' zu bereiten wie er.
Einfach einen Job mit öffentlich zugänglichem Arbeitsplatz annehmen, dann funktioniert das schon...

Also manchmal,
ARGH! stuff
ARGH!ARGH!!
dorm stuff
everyday stuff
heartstrings
interpersonal stuff
london stuff
menfolk-stricken stuff
Musik: An!
musing stuff
poppycock stuff
pub stuff
stöckchen stuff
yeahbaby!yeah!
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren