Mein Großvater...

...war für mich der stärkste Mann der Welt, als ich klein war. Gleich nach dem Vater konnte dieser riesige Mann die größten Wunder vollbringen. Er kitzelte uns Kinder unter dem Kinn und am Bauch, solange bis wir vor Lachen keine Luft mehr bekamen. Dann nahm er uns fest in den Arm, und an seinen mächtigen Brustkasten gedrückt, dort konnte man ihn riechen: eine Mischung aus Tabak, Holz- und Metallgeruch, ein bisschen Schweiß und manchmal einem Bier. Mit ihm wurde viel gelacht, ihm konnte man auch die Kaninchen verzeihen, die ohne Kopf und ihres Fellkleids beraubt, an der Garagentür hingen und von dort aus in den Kochtopf des ein oder anderen Nachbarn, oder auch den eigenen, wanderten.
Aber wie das mit Großvätern so ist, wenn man sie kennenlernt, sind sie schon alt. Und auch ich kenne meinen Großvater nur als alten und noch älteren Mann. Und alte und noch ältere Menschen haben die Angewohnheit, irgendwann zu sterben. So starb letztes Wochenende auch mein Großvater und heute haben wir ihn begraben. Die ganze Familie versammelte sich, um ihn ein Stückchen seines allerletzten Weges zu begleiten. So saß also diese laute, lärmig-zynische, lustige, emotionale Familie in der bis auf den letzten Platz besetzten Friedhofskapelle. Hinter mir saßen meine Eltern, daneben die neue Freundin meines Onkels (die sich sicher eine schönere Gelegenheit vorgestellt hat, um die Familie kennenzulernen) und daneben mein Bruder mit dem vierjährigen Filius auf dem Schoß.
"Papa", sagt Filius, "wofür ist denn die Blume hier?" "Die ist für gleich, wenn Opa mit dem Sarg in der Erde ist, dann gibst Du ihm die ins Grab." "Warum?" "Damit sagst Du noch mal: 'Tschüss Opa, es war schön mit Dir, mach's gut.'" (Onkel neben mir beginnt, in sein Taschentuch zu schnüffeln) Filius setzt erneut an: " Papa?" "Ja?" "Ich will die da nicht reinwerfen." "Warum nicht?" "Ich hab' dadran gerochen, und weißt Du was, die Blume sieht zwar aus wie eine Blume, aber sie riecht nach Bratkartoffeln."
Die Trauergäste in den hinteren Reihen haben bestimmt gedacht, wir seien, plötzlich von unserer Trauer überwältigt, in kollektives, von Schulterzucken begleitetes Weinen ausgebrochen. Nein. Wir haben gelacht. Ein leicht hysterisches, mit Tränen und Schneuzern durchsetztes Lachen schüttelte uns. Bei der Beerdigung des Großvaters gab es also eine Minute hemmungslosen und doch unterdrückten Kicherns. Was soll ich sagen: Der erste, der mitgelacht hätte, wäre mein Großvater gewesen.
Und mein Bruder, was sagt der, um des Filius Bedenken wegen der Bratkartoffelblume zu zerstreuen? "Ach, mach Dir mal keine Sorgen, der Opa mochte ganz gerne Bratkartoffeln."

Also manchmal,
ARGH! stuff
ARGH!ARGH!!
dorm stuff
everyday stuff
heartstrings
interpersonal stuff
london stuff
menfolk-stricken stuff
Musik: An!
musing stuff
poppycock stuff
pub stuff
stöckchen stuff
yeahbaby!yeah!
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren