Es ist Montag Morgen und ich sitze an meinem Arbeitsplatz.
Das Semester ist vorbei, ich erwarte einen unspektakulären Arbeitstag. Erfahrungsgemäß kommen heute nur Leute, die Klausuren schreiben und vergessen haben, in welchem Raum ihre Klausuren stattfinden. Tses! Als ich noch Klausuren schreiben musste, und die Zeiten sind gottlob vorbei, wusste ich schon mindestens zwei Tage vorher, in welchem Hörsaal ich eine Stunde vor Klausurbeginn in Ruhe vor mich hin paniken konnte. Ok, aber das ist ja nicht mein Problem, wenn die Studenten weder wissen, wie ihr Kurs heißt, noch wie ihr Dozent heißt, oder gar in welchem Raum die Vorlesung stattgefunden hat. Ich versuche eben rauszufinden, wo sie hinmüssen, auch wenn ich nur minimale Informationen wie „Jura, immer Mittwochs um 15.00 h“, oder „KL, beim Dingsbums“ habe. Dinge ich dieser Art erwarten mich heute, so denke ich jedenfalls. Sauna-Walter jedoch stand nicht auf meiner Liste der für heute zu erwartenden Dinge. Deswegen erwischt er mich um kurz nach 10 wieder eiskalt:
Ich sitze, über meine Arbeit gebeugt, an meinem Tisch und versuche, mich auf die äußerst langweilige und anstrengend zu lesende Synopse von Sorbengesetz und Friesischgesetz zu konzentrieren, als es vor mir ertönt: „Sie lächeln ja gar nicht so schön wie sonst, junge Frau!“ ARRRRGH!! Der alte Sack wieder! Sauna-Walter, verdammt!!
„Woran mag das wohl liegen?“ sagt Walter, und zwinkert mir vielsagend zu, „etwa daran, dass wir uns so lange nicht gesehen haben?“ Ich bin sprachlos, starre ihn an und mir fällt keine passende Antwort ein, die ich aussprechen könnte, ohne die elementarsten Grundsätze der Höflichkeit grob zu verletzen. „Da sind Sie sprachlos, was?“ strahlt er mich an. „In der Tat“, würge ich hervor, aber dass diese Tatsache ganz gut für ihn ist, darüber kläre ich ihn nicht auf. Am liebsten würde ich aufstehen und einfach verschwinden und nie, nie wieder hierher kommen, aber ich muss mich zusammenreißen. Ich muss mich zusammenreißen, denn wenn ich mich jetzt nicht effektiv zur Wehr setze, bin ich geliefert. Ich habe heute sechs Stunden Dienst, und genau solange wird Walter genau hier dümmlich grinsend vor meinem Tisch hin und her scharwenzeln wollen, wenn ich ihm nicht exakt jetzt eine Abreibung verpasse. Und glaubt mir, jetzt im Augenblick gibt es nicht viele Dinge, die ich weniger möchte, als dass Walter mich hier belagert, außer vielleicht, Walter würde zu diesem Zweck Verstärkung in Form eines Zwillingsbruders mitbringen.
Also sage ich: „Walter sagen Sie mal, was genau haben Sie beim letzten Mal nicht verstanden? Ich habe doch klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ich so nicht angesprochen werden möchte.“ Walter starrt mich an, sein Strahlen verwandelt sich in einen eher verkniffenen Gesichtsausdruck als er sagt: „Aber ich hab Ihnen doch auch gesagt, dass ich Sie so sympathisch finde. Das heißt, ich kann nichts dafür.“ Wie jetzt? Bin ich auch noch selber Schuld, dass der mich nicht in Ruhe lässt, oder was? Und mal ehrlich: Ich sehe nicht so umwerfend aus, dass mir einer so verfallen könnte, dass er nicht mehr weiß, was er tut. Nicht mal ansatzweise. Und selbst wenn es so wäre: Was zum Teufel soll denn der Scheiß jetzt?! Das ist doch bullshit, alte Säcke Belästigungslogikbullshitmist ist das.
Mir wird heiß, weil ich richtig sauer werde, und vermutlich bin ich schon wieder rot, weil ich immer rot werde, wenn ich richtig sauer werde, und diese eine Ader am Hals schwillt an, so dass ich mich fühle wie Rambo, wenn er den Bogen spannt, aber hoffentlich nur ein bisschen so aussehe. Obwohl, wenn ich jetzt auf einmal so aussehen würde, wie Rambo kurz bevor er seine Gegner niedermetzelt, dann haut Walter vielleicht von selber wieder ab.
Ich bin stocksauer, bemühe mich aber um ein Minimum an Höflichkeit, denn mein Verstand hat schließlich noch nicht ausgesetzt, und sage: „Na und? Wissen Sie noch, was ich Ihnen letztens gesagt habe? Ich sagte, das sei nicht mein Problem, und das ist es auch heute noch nicht. Ich möchte Sie ein für alle Mal bitten, mich hier in Ruhe zu lassen!“
Jetzt ist Walter sprachlos und ich bin kurz versucht, ihn zuckersüß anzulächeln und zu sagen: „DA!! Siehste mal wie das ist!“ Aber ich lasse es, denn ich will ja nur meine Ruhe und nicht noch mit ihm diskutieren müssen. Also starre ich ihn nur finster an, und versuche möglichst bedrohlich auszusehen, was mir normalerweise ja nicht so gut gelingt. Aber heute scheint es zu klappen, und die Kendoübungen im Gegnerniederstarren scheinen sich bezahlt zu machen, auch wenn ich aus der Übung bin. Schade, dass ich ihm nicht noch eine aufs Dach geben kann, dem alten Stelzbock. „Wenn das so ist,“ sagt Walter, „dann gehe ich jetzt wohl besser.“ Sprichts, dreht sich auf dem Absatz um und marschiert zur Türe hinaus.
Etwa 20 Minuten später sitze ich immer noch an meinem Tisch und versuche mich wieder abzuregen. Abregen geht leider nicht so schnell wie Aufregen, deswegen habe ich noch deutliche rote Flecken im Gesicht. Auf einmal steht ein anderer älterer Mann mit gelichteten Zahnreihen vor meinem Tisch.
„Ich grüße Sie,“ sagt er zu mir. „Guten Tag,“ sage ich, woraufhin er sagt: „Sind Sie pollenallergisch?“ Ich, statt wasgehtsiedasbittean: „Nein, warum?“ Er: „Ach, Sie sehen so allergisch verfärbt aus, da wollte ich Ihnen nur sagen, dass Bienenhonig bei Hautirritationen sehr gut wirkt.“ Argharghargahargahrgh!!!!
Haben die sich heute verabredet?? Was ist denn hier heute los?
Heute morgen habe ich mein Auto aus der Werkstatt geholt. Nichts kaputt, aber die jährliche Inspektion stand an. Bezahle, setze mich ins Auto und sehe das hier auf der Lenksäule kleben:
Ich hab selten so gelacht. Warum?
Deswegen:
Also ehrlich, wollten die sich über mich lustig machen?? Das ist NICHT komisch!
Naja, doch ein bisschen.
An meinem Arbeitsplatz bin ich für jedermann gut sichtbar, das gehört so. Das ist nicht weiter schlimm. Es gehört zum Job, dass man Tag für Tag mit vielen Menschen spricht, mit den einen mehr, mit den anderen weniger gerne. Aufgrund der Vielzahl an Gesprächen hebt sich allerdings nicht viel von der Masse ab. Soll heißen: Damit sich jemand als Person oder Anliegen dauerhaft in der Erinnerung festsetzt, bedarf es einiger erfüllter Kriterien.
1.Die Person ist besonders nett oder
2.Die Person ist besonders unverschämt oder
3.Die Person ist besonders ekelhaft oder
4.Die Person verfolgt ihr Anliegen mit besonderer Penetranz oder
5.Die Person stellt sich besonders dumm an oder
6.Das Anliegen der Person ist besonders interessant
In meinem Job lernt man sehr schnell, mit allen möglichen Typen umzugehen, man kann sie auf Distanz halten und lernt, freundlich zu sein, auch wenn man das Gegenüber äußerst unsympathisch, dumm oder frech findet. Soweit so gut, darin bin ich beinahe perfekt. Die Leute sehen mir meistens nicht an, was ich über sie denke. Das wiederum führte aber zu folgender Kette von Ereignissen:
Woche 1: Es ist Montag Morgen, ich sitze an meinem Arbeitsplatz. Plötzlich steht vor mir ein älterer Mann und bedenkt mich mit einem besonders aufmerksamen Lächeln. Ich schau ihn an, lächle zurück und sage: „Kann ich Ihnen helfen?“ Daraufhin er: „Das haben Sie schon!“ und geht weg. Ich verspüre ein leichtes Unwohlsein.
Woche 2: Es ist Montag Morgen, ich sitze an meinem Arbeitsplatz. Plötzlich steht der ältere Mann von letzter Woche wieder vor mir. Er sagt: „Guten Morgen, junge Frau.“ (SOWAS hasse ich wie die Pest, mit „junge Frau“ angesprochen werden. Das machen auch nur Leute, die auch Dinge wie „Wie geht’s uns denn heute?“ sagen, aber egal) Ich sage: „Guten Morgen. Was kann ich für Sie tun?“ Er: „Sie könnten mir Ihr bezauberndes Lächeln schenken.“ Sprichts und geht weg. Ich verspüre ein deutliches Unwohlsein, schüttele mich leicht und kann mir ein wölfisches Grinsen dabei nicht verkneifen.
Woche 3: Es ist Montag Morgen, ich sitze an meinem Arbeitsplatz. Plötzlich steht der ältere Mann von letzter und vorletzter Woche wieder vor meinem Schreibtisch. Ich sehe hoch, erschrecke und verkneife mir das „Guten Morgen, was kann ich für Sie tun?“ und sage statt dessen: „Ja?“ Er sagt: „Junge Frau, ich musste die ganze Woche an ihr bezauberndes Lächeln denken. Sie sitzen aber kalt und zugig hier, ich hab Ihnen mal was mitgebracht.“ Sprichts, legt ein Wick Halsbonbon auf meinen Tisch und eilt in forschem Tempo von dannen. Es ist Montag Morgen, ich sitze an meinem Arbeitsplatz und wünsche mir, es gäbe keinen Montag Morgen, keinen Tisch und keine Halsbonbons. Ich werde bockig, denke: „DAS, verdammte Scheiße, hat meine Mama mir schon beigebracht: Von fremden Onkeln nimmst Du keine Bonbons!“ Das Bonbon wandert in den Müll und ich verspüre für etwa 10 Minuten eine leichte Verschiebung der Stimmung in Richtung >ungnädig<.
Woche 4: Es ist wieder Montag Morgen, ich sitze an meinem Arbeitsplatz und bin ungnädig. Gar nicht plötzlich steht der ältere Mann von letzter und vorletzter Woche und der Woche davor wieder vor meinem Tisch. Er stößt hervor: „Sagen Sie mal, wissen Sie zufällig, wo hier das Seminar über zwischenmenschliche Beziehungen auf der Grundlage Ihres wunderschönen Lächelns ist?“ Ich meine, mich zu verhören, starre ihn an und mein Unterkiefer bewegt sich in äußerst unattraktiver Art und Weise in Richtung Schlüsselbein. Er grinst. „Wissen Sie nicht? Na, dann überlegen Sie mal, ich komme nächste Woche und frage noch mal! Ich bin übrigens Walter, nur damit Sie meinen Namen kennen.“ Sprichts, legt mir wieder ein Wick Halsbonbon auf den Tisch und hoppelt zur Tür heraus. So, so. Das Grauen hat nicht nur ein Gesicht, jetzt hat es auch einen Namen: Walter.
Das Bonbon landet wieder im Papierkorb, mein Unbehagen verwandelt sich in offenen Ekel. Wobei bitte denkt der die ganze Zeit an mich und mein bezauberndes Lächeln? Walter sieht aus wie der typische Frischrentner, der aufgeschlossen, fit, sonnenbankgebräunt, goldrandbebrillt und mit rasierter Brust in der Sauna hockt, weil das die einzige Möglichkeit ist, unwilligen jungen Frauen das Geschlechtsteil zu präsentieren, ohne eine Strafanzeige zu kassieren.
Woche 5: Sonntag abend bekomme ich Beklemmungen und bitte eine Kollegin, mich zu vertreten. Ich will nichts von Walter hören, sehen oder bekommen. Keine Bonbons morgen. Und lächeln werde ich zur Sicherheit schon jetzt nicht mehr. Montag morgens, ich sitze an meinem Schreibtisch. Plötzlich eine SMS von der Kollegin: "Schöne Grüße von Walter!" Und dann noch eine mit "also echt, darauf hättest du mich vorbereiten können!"
Woche 6, die Weihnachtswoche: Es ist Montag morgen, ich sitze an meinem Arbeitsplatz, meine Aufmerksamkeit gleicht der eines Soldaten im Manöver, dem der Feldwebel im Nacken sitzt. Ich plane, etwa 8 Minuten vor Walters üblicher Zeit, also 10.07 h, zur Toilette zu verschwinden und mich dort etwa 20 Minuten zu verstecken. Um 10.04 h entdecke ich Walter, wie er sich von der Seite an meinen Schreibtisch heranpirscht. ZU SPÄT! VERDAMMT!!!
Walter steht vor meinem Tisch und sagt: "Junge Frau, ich habe Ihnen einen kleinen Weihnachtsgruß mitgebracht. Sie lächeln doch immer so schön." Sprichts und hält mir einen kleinen zusammengeknüddelten Zettel unter die Nase. Ich schlucke und weiß, jetzt kommt es darauf an: Wenn ich jetzt nicht hart bleibe, werde ich Walter NIE WIEDER LOS. Also sage ich: "Walter, so geht das nicht. Ich nehme keine Zettel von Ihnen. Ich nehme keine Bonbons von Ihnen, und ich möchte auch nicht so angesprochen werden." Walter guckt irritiert und sagt betreten: "Aber ich find Sie doch so sympathisch!" "Das ist jetzt nicht mein Problem, trotzdem nehme ich nichts von Ihnen an." sage ich, und wenn ich ein Hund wäre, würde ich die Zähne dabei fletschen und den Schwanz einklemmen, aber das tue ich nicht, denn dann denkt Walter wieder, ich würde ihn nett anlächeln. Statt dessen sehe ich ihm fest ins Gesicht und verziehe dabei keine Miene. Zur Sicherheit habe ich mir noch einen Ring besorgt, der nach Ehering aussieht, und mich erkundigt, an welcher Hand man eigentlich Eheringe trägt (woher soll ich sowas auch wissen!?), den ich jetzt vielsagend und gut sichtbar an meinem Finger hin und her drehe. Walter sieht mir ins steinerne Gesicht, sieht auf meine Hand und ich sehe, wie er sich geschlagen gibt. "Naja", sagt er "Ich wünsche Ihnen und Ihrem Mann aber trotzdem schöne Weihnachten." Sprichts und zieht mit seinem Zettelchen von dannen.
Seitdem war Ruhe und ich hatte friedliche, ungestörte und walterfreie Montage bei der Arbeit.
Nur heute, da sah ich Walter, wie er sich an meinen Schreibtisch pirschte und dann doch ein paar Meter vorher abdrehte. Ich warte mal auf den nächsten Montag und lege mir Sonntag Abend meine Eheringattrappe zurecht, nur zur Sicherheit.
Eben rief ich T an, um nachzufragen, wie die aufgeschwatzte Verabredung gewesen ist. Ich fasse das mal kurz zusammen:
T ist ins Sauerland gefahren, um ihre Mutter zu besuchen und den 'jungen' Mann zu treffen. Zur Sicherheit mittags: Abends kann man sich so schlecht abseilen, die Zeit die man miteinander zu verbringen hat, ist von vornherein begrenzt und Vorschläge, bis in die frühen Morgenstunden noch gemeinsam um die Häuser zu ziehen, erübrigen sich. Zur Sicherheit hat T sich auch das Auto ihrer Mutter geliehen, damit, falls es sich bei dem Angepriesenen um einen geistesgestörten Stalker handelt, der dann ihrer Mutter auflauert und nicht ihr. Die hat das Ganze schließlich angeleiert, warum also auch nicht.
Der vermeintliche Stalker stellt sich aber als harmloser, netter, ein bisschen schüchterner Typ heraus, der im Laufe der Jahre etwas aus der Form geraten ist und nicht mehr die meisten Haare hat. Genauer gesagt fehlt ihm oben auf dem Kopf der Schopf, rundherum bildet sich ein Kranz rostroter Locken. Von Beruf ist er Landwirt, das mag auch die bisherige Abwesenheit einer Lebenspartnerin erklären.
T, eine attraktive und temperamentvolle Rothaarige Anfang 30, hat einen einigermaßen netten Nachmittag mit dem verklemmten Mittvierziger, wird sich aber unter keinen Umständen noch mal mit ihm treffen. Denn:
Das erste Gefühl bei seinem Anblick ist der unmittelbare Drang die Flucht zu ergreifen und der Mutter und deren Freundin eine kräftige Kopfnuss zu verpassen. Nur die gute Erziehung verhindert ein Davonlaufen und T wird sich wohl so schnell nicht mehr auf eine arrangierte Verabredung einlassen, auch wenn der Mann ganz nett und irgendwie unterhaltsam ist. Demnächst wird sie wohl doch eher auf ihr eigenes Urteilsvermögen vertrauen und auf Vermittlungsversuche von unter stellvertretender Torschlusspanik leidenden Elternteilen verzichten.
Dann berichtet T noch vom anschließenden Gespräch mit ihrer Mutter, bei der sie sich über das Wochenende einquartiert hat, denn so oft sieht man sich schließlich auch wieder nicht. T kommt also nach dem etwas langweiligen, aber nicht unbedingt abbrechenswert schlimmen Date bei ihrer Mutter an. Die steht in der Türe und fragt direkt: „Und, wie wars?“ Gut, das war auch meine erste Frage, aber bei mir war die Frage eher: „Und? Wie wars?“ für Hast Du es einigermaßen unbeschadet überstanden? während das „Und? Wie wars?“ der Mutter wohl eher ein UND? Wann heiratest Du? implizierte. T will nicht viel dazu sagen und versucht, eine tiefergehende Analyse mit einem „War ok.“ zu vermeiden. Mutter aber lässt nicht locker und bohrt und bohrt, bis T schließlich der Kragen platzt. „Mama, hör mir mal gut zu“, sagt sie. „Der war nichts für mich und der wird auch nichts werden. Der ist nett, aber nette Seiten hat schließlich jeder irgendwie. Also lass es jetzt gut sein und uns über was anderes reden.“ Und dann, das Killerargument der Mutter: „Kind, jetzt denkst Du so, aber man kann doch jemanden lieben lernen. Warte mal ein bisschen ab und lass alles auf Dich zukommen. Schließlich Achtung, Killerargument JETZT: hat er Eigentum! Einen eigenen Hof!! Das wolltest Du doch immer!“
„Tses!“ sagt T heute morgen zu mir, „als ob ich Bäuerin werden wollte! Genau deswegen gondel ich in der Weltgeschichte rum, geh nach England, komm wieder zurück, mache das Abi nach, überlege, ob ich noch studieren soll, genau deswegen. Soll ich dir mal was sagen?!“ Ich weiß schon, was kommt, deswegen halte ich den Hörer weit weg vom Ohr. „AAAARRRRRRGGGHHHH!!!!“
Warum nur meinen manche Menschen, das Glück bestehe in der klassischen „Eigenheim-Kind-Kombi-Hund-Karriere“? Sicher, es gibt Menschen, die das so wollen, die glücklich damit sind, und dann ist es auch gut für sie. Aber es gibt eben auch Menschen wie T oder auch mich selber, die unter Glück etwas anderes verstehen, die sich, so wie ich, durch Eigentum eher angekettet fühlen und denen materielle Dinge wie ein schickes Auto oder 'ne tolle Wohnung mit teuren Möbeln nicht ganz so wichtig sind. Glück ist doch nicht planbar und schon gar nicht an so etwas messbar, Glück kann einen auf 15 Quadratmetern und mit 3 Euro auf dem Konto schwindelig werden lassen, Glück braucht keinen großen Maßstab.
In diesem Sinne!
Ich bin so froh, dass meine Familie so entspannt ist, wie sie ist, gerade bezüglich meiner Lebenssituation. Niemand empfindet es als Makel, dass die Tochter des Hauses frei und ungebunden in der Welt herumzieht, mal hier ein paar Jahre, mal da ein paar Jahre lebt und keinerlei Anstalten macht, der Welt ein paar Nachkommen zu schenken, ein Haus zu bauen, einen Baum zu pflanzen oder ähnlichen Kram zu unternehmen. Das mag daran liegen, dass die Mitglieder meiner Familie starke Tendenzen zeigen, sich in aller Welt zu niederzulassen und einen eher unkonventionellen Lebensstil pflegen. Will heißen: Man kennt das. Das liegt in der Familie, und für seine Gene kann man nichts.
In anderen Familien wird so etwas nicht so locker gesehen, da kommen schon mal Dinge vor, wie das, was einer Freundin passierte. Folgende Situation:
Scholli und Freundin T. sitzen abends zusammen bei einem Bier und unterhalten sich über Gott und die Welt, als T's Handy klingelt. T, ein von Natur aus freundlicher Mensch, nimmt das Gespräch an, obwohl sie die Nummer im Display nicht kennt. Scholli kann nicht anders, als dem Gespräch zuhören, denn sie sitzt ja direkt daneben.
T: Ja hallo, T. hier, wer da?
Unbekannter Anrufer: blablabla ( ab jetzt: UA)
T: Bitte? Wer?
UA, ca. 2 Minuten. T. wird blass.
T: Das kann ja wohl nicht wahr sein. Und jetzt rufst du mich tatsächlich an?
Schollis Aufmerksamkeit erhöht sich.
UA ca. 3 Minuten. T. wird rot.
T.: Aha. Und du glaubst, das ist eine gute Idee?
UA ca. 1 Minute.
T: Na ok, ich gucke mal, ich rufe dich zurück.
T legt auf, sieht Scholli entgeistert an und meint: "Ich weiß grade nicht, ob ich dadrüber lachen oder weinen soll!"
Scholli:" Wasnlos-ichbinsoneugierig-loserzählschon!!"
Und T erzählt:
"Das war der Sohn einer Freundin meiner Mutter." Schweigen, dann: "Ich glaub das nicht."
"Erzähl schon: Was war das da grade?!"
"Der hat mich zum Essen eingeladen."
"Und?"
"Ich kenn den gar nicht."
"???"
"Seine Mutter hat ihm gesagt, er soll mich anrufen, weil ich im Moment Single bin und er noch nie 'ne Freundin hatte."
"SEINE MUTTER hat ihm gesagt, er soll dich anrufen? Oh Mann!"
"Rate mal, wer ihm meine Nummer gegeben hat! MEINE Mutter!"
"OH MANN!"
"Und jetzt rate noch, wie alt der ist!"
"???"
"MITTE 40!"
"Mannomann!"
Jetzt mal allen Ernstes: sowas geht doch wohl gar nicht an! Da sitzen zwei Mütter beim Kaffee zusammen und beschließen, das Herzensglück ihrer erwachsenen Kinder in die Hand zu nehmen und zwingen einen Mann von etwa Mitte 40, eine Frau von Anfang 30 anzurufen, damit diese ihn von seiner Jungfernschaft erlöst und dabei möglichst noch unter die Haube kommt, denn es wird ja langsam Zeit für die Gute, ein Kind zu bekommen oder sich zumindest vorteilhaft zu verbinden.
Und warum fällt mir das grade jetzt ein?
Weil T jetzt grade, sich den Wünschen der Frau Mama beugend, bei der abgeschwatzten und aufgedrängten Verabredung sitzt und sich hoffentlich trotz allen Widerwillens gut amüsiert.
Man kann ja nie wissen, oder?
Das wird ein hochoffizieller Beschwer-Beitrag. Gibts ja sonst weniger hier, aber es muss heute mal sein. Ich muss Dampf ablassen...
Ich bin angepi**t heute, seit heute morgen schon. Präzise, seit 3.30 h, als mich dieser gröhlende Karnevalshirni mit seiner volltrunkenen Version vom Trömmelsche geweckt hat. Ok, ist fast Karneval, da bemühe ich mich um Verständnis, zumal ich das ja eigentlich von jedem Wochenende so gewohnt bin. Nur heute konnte ich nicht wieder einschlafen. (Doch vollmondfühlig? Ist noch Vollmond?) Ich fahre den Rechner hoch, lasse mich ein bisschen durchs Internet treiben und mit MC Winkels Harald Lesch- Podcast passiert gegen 5 endlich das, was eigentlich immer passiert, wenn naturwissenschaftliches Geplapper an meine Ohren dringt: Ich schlafe ein! Das war schon in der Schule so, ich sag euch, einfach war das nicht: Chemie, Physik, Mathe? Verschlafen, komplett, so scheint es heute manchmal. Apropos Schlaf: Den habe ich natürlich erst mal ausgedehnt, unfreiwillig. Ich hab verschlafen. Verdammt! Ab zur Arbeit, kein Frühstück, nur Katzenwäsche, und das allerschlimmste: KEIN KAFFEE!! Toll. Glückwunsch. Nach der Arbeit zur Uni, wichtiges Zeug für die Hausarbeit in Soziolinguistik kopieren. Nur: Von 5 Kopierern sind 3 kaputt, (DAFÜR zahl ich 500 Öcken pro Semester?) und vor den restlichen 2 Geräten tummelt sich eine Horde Jurastudenten, die sich in aller Ruhe jede EINZELN kopierte Seite durchlesen, bevor sie die nächste Kopie anfertigen. Jetzt heißt es warten und Nerven behalten, auch als die fröhliche Runde beschließt, ihr letztes Saufgelage noch mal lauthals zu würdigen und dabei aber weder den Kopierer freigibt, noch in einem akzeptablen Tempo mit dem Anfertigen wichtiger juristischer Lehrmaterialien fortfährt. Ehrlich, da soll noch mal einer behaupten, Geisteswissenschaftler könnten nicht koordiniert arbeiten. Tz!
Nachdem die zukünftigen Organe unserer Rechtspflege endlich fertig sind und ich meine Kopien machen kann, warte ich noch eine Stunde auf die Kommilitonin, der ich eine Kopiervorlage des Textes versprochen hatte. Nichts. Keiner kommt, ich vertrödele eine weitere Stunde, in der ich weder duschen noch essen kann. Auf einer Skala von beschissen bis minus unendlich beschissen tendiert meine Laune in Richtung minus unendlich beschissen. Ich beschließe nach Hause zu fahren, soll die Kommilitonin doch über das Wochenende auf den Text warten. Selber Schuld. Auf dem Weg nach Hause kontrolliere ich den Zustand meines Autos in der Nebenstraße und entdecke ein Knöllchen für falsches Parken an der Windschutzscheibe. HÖ? Ich habe einen Anwohnerparkausweis, wieso zum Teufel... Argh! Ich hab hier gestern Abend geparkt und das Ladezonenschild übersehen. Super. Da nicht nur meine Laune, sondern auch mein Kontostand gegen Minus Unendlich geht, kann ich das natürlich besonders gut gebrauchen. Daran bin ich wirklich selber Schuld, aber das hebt meine Laune auch nicht gerade. Schnell einen anderen Parkplatz suchen, freitagsnachmittags in der Kölner Innenstadt: Klingeling, wieder eine Stunde vertan. Von meinem Parkplatz zur Wohnung muss ich die Bahn benutzen, die wird natürlich prompt durch einen Falschparker auf der Zülpicher Straße behindert. Ich sitze in der Bahn und wünsche mir irgendwas, um das verdammte Auto von den Schienen zu schießen. Was würde ich jetzt für eine ordentliche Explosion geben! Endlich zu Hause angekommen stelle ich fest: Ich habe vergessen, einzukaufen. Ich habe NICHTS zum Kochen da. Der Hunger treibt ein verspätetes Müsli rein und es geht etwas aufwärts mit der Laune. Und jetzt, nach einem Kaffee, einem Müsli und ein bisschen beruhigender Musiktherapie mit KoRn, jetzt geh ich einkaufen.
Ok, ich bin verwirrt, aber noch bin ich des Lesens mächtig. Und ab und an gucke ich in meinen Blogcounter-Account.
Was bitte machen DIE HIER auf meinem Blog? Was hat die Defense Advanced Research Project Agency bei mir wohl zu suchen? Stöckchen? Musik? Ein fettes Argh? Können sie haben: ARGH!!!!!
Ich fahre Bahn. Genauer gesagt, KVB. Jeden Tag. Die KVB ist, wie viele sicherlich wissen, der Kölner Verkehrsbetrieb der Herzen. Die KVB eint die Menschen dieser Stadt. Man steht an der Haltestelle und wildfremde Menschen schütten einem ihr Herz aus: "Die kommt schon wieder zu spät!" "Wenn sie überhaupt kommt." "Auch wieder wahr." Und dann, der erste Satz, den man als Kölner Immi mit Inbrunst zu sagen lernt: "Scheiß KVB!"
Besonders kundenverspottend erscheint einem der Werbeslogan im Laufband der Anzeigentafeln an den Haltestellen. Da steht dann sowas wie:
Linie 9 Sülz: 26 Min.
Linie 9 Sülz: 35 Min. Und dann, im Laufband:
Aufgrund eines/einer Verkehrsunfalls/Falschparkers/Triebwagenschadens/technischen Betriebsstörung/Unwetters kann der Fahrplantakt nicht eingehalten werden. Wir bitten um Ihr Verständnis!
Und dann, als letztes, der Hohn, der Witz, der Schlag ins regennasse Gesicht eines frierenden KVB-Kunden, der 26 Minuten auf eine Bahn warten muss, die eigentlich alle 10 Minuten fährt: Menschen bewegen. Ihre KVB.
Gehts noch?